Deutschland gerät bei der Beteiligung von Frauen an Führungspositionen in der Wirtschaft im internationalen Vergleich immer mehr ins Hintertreffen. Seit drei bis vier Jahren stagniert die Entwicklung sogar und der Anteil der Frauen in Führungspositionen verharrt bei 27% (DIW 2010). Im Top-Management sind lediglich rund 6% der Beschäftigten Frauen. Außerdem verdienen die Frauen, die es in diese Positionen geschafft haben, durchschnittlich auch noch rund 28% weniger als Männer auf der gleichen Ebene.
In den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen liegt der Frauenanteil immerhin bei rd. 9%, was aber vor allem durch die Arbeitnehmervertreterinnen zustande kommt. Betrachtet man die Anteilseignerseite allein, liegt der Frauenanteil lediglich bei knapp 4%.
Während in den wichtigen Vergleichsländern für die deutsche Wirtschaft aufgrund von verbindlichen Regelungen messbare Fortschritte für die qualifizierten Frauen festzustellen sind, stagniert die Entwicklung in Deutschland.
Dabei sind Frauen in Deutschland das bedeutendste, noch unausgeschöpfte Fach- und Führungskräftepotenzial, was in der öffentlichen Diskussion über die Anwerbung von weiteren Migrant/innen ausgeblendet wird.
Deutsche Wirtschaft steht in der Bewährungsprobe
Die EU-Kommissarin Reding hat vor kurzem gesetzgeberische Initiativen der EU-Kommission angekündigt, falls die Unternehmen nicht mehr für die Gleichberechtigung bei der Besetzung von Führungspositionen tun werden, und dabei hat sie ausdrücklich Deutschland im Blick.
Die Justizministerkonferenz hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die rechtlichen Voraussetzungen einer „gesetzlichen Regelung für mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen“ prüfen soll.
Und die Bundesjustizministerin Leuthäuser-Schnarrenberger hat in einem Interview mit der ZEIT (04.08.2010) angekündigt, dass sie erwartet, dass die Unternehmen die Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance Kodex (Mai 2010) ernst nehmen und mehr Vielfalt in Aufsichtsräten u.a. durch Frauen realisieren und Frauen auch in Führungspositionen angemessen berücksichtigen werden. Die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung sollen 2012 bilanziert werden. Die Ministerin spricht von einer „letzten Chance“ für die Unternehmen, eine gesetzliche Quote zu vermeiden.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich also derzeit gewissermaßen in einer Bewährungsphase, in der sie gefordert ist unter Beweis zu stellen, dass es den Unternehmen durch eigene Anstrengungen und Entscheidungen gelingt, die Repräsentanz von Frauen in den obersten Führungsebenen und in den Aufsichtsräten der Unternehmen signifikant und nachhaltig zu erhöhen.
Der jüngst erfolgten Entscheidung des Vorstandes der Telekom AG, bis 2015 mindestens 30% der leitenden Positionen weltweit im Unternehmen mit Frauen besetzen zu wollen sowie die Besetzung von Top-Management- und Aufsichtsratsfunktionen mit Frauen bei Siemens, Henkel, Opel u.a. kommt dabei eine wichtige Signalfunktion zu. Jedoch ist eine weitaus breitere Diffusion in die Wirtschaft notwendig, um den spürbaren internationalen Wettbewerb zukünftig bestehen zu können. Hier sind auch die Institutionen der Selbstorganisation der Wirtschaft gefordert.
Den Impuls der Dt. Telekom aufnehmend, will das Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft zum einen dazu beitragen, auch in Dortmund im Dialog mit der Wirtschaft für dieses strategisch wichtige Thema zu sensibilisieren und konkrete Handlungsmöglichkeiten zu zeigen. Dies ist umso wichtiger als Unternehmen noch sehr viel mehr tun und ein vielfältigeres Angebot in der Personalentwicklung bereitstellen müssen, um in Zukunft ein für begehrte Fachkräfte attraktiver Arbeitgeber sein zu können - sowohl für Männer als auch für Frauen.
Zum anderen will das dffw aber auch die qualifizierten Frauen selbst ansprechen und ermutigen, ihre Angst gegenüber einer Diskriminierung als „Quotenfrau“ abzulegen, vielmehr darin eine Chance zu sehen, ihre zweifellos vorhandenen Qualifikationen und Qualitäten unter Beweis stellen zu können. Die bei Frauen verbreitete Annahme, dass sie quasi automatisch in der beruflichen Karriere vorankommen werden, wenn sie nur eine gute Leistung zeigten, weist Frauen bedauerlicherweise immer noch als zu „bescheidenes Geschlecht“ aus (SPIEGEL, Nr. 41/2010). Die Daten und Fakten sprechen dagegen – in Deutschland mehr als in anderen wichtigen Wettbewerberländern.
Diskussionsplattform für die Dortmunder Wirtschaft
Es ist ein wichtiges Signal für die Dortmunder Wirtschaft, dass dieses wichtige Thema beim 16. Forumsgespräch in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund vorgestellt werden kann. Damit wird eine angemessene Diskussionsplattform für das Thema Frauen als unausgeschöpftes Fach- und Führungskräftepotenzial für die Personalwirtschaft der Dortmunder Wirtschaft geschaffen.
Von dem gemeinsam von dffw und IHK durchgeführten Forumsgespräch wird eine zweifache „Botschaft“ ausgehen:
1. Die qualifizierten Frauen für Führungspositionen sind auch in Deutschland vorhanden.
2. Die Unternehmen müssen sich zwar auf eine längerfristig orientierte Strategie der Personalentwicklung einlassen, um Frauen für Führungspositionen zu gewinnen bzw. „zu entwickeln“, aber die Schritte und Maßnahmen dafür sind bekannt und erprobt.
Das Beispiel Norwegen zeigt es. Dort wurde nach 1998 eine heftige Diskussion über die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote von 40% in Aufsichtsräten geführt, mit denselben Argumenten, wie sie hier in Deutschland gegen die Quote vorgebracht werden. 2003 wurde das Gesetz im Parlament verabschiedet, 2004 wurde es, mit Übergangsfrist, für öffentliche Unternehmen und Ende 2005 für alle börsennotierten Unternehmen verbindlich. Seit 2008 gilt ein 40-prozentiger Frauenanteil in den Aufsichtsräten für alle diese Unternehmen.
Wie ist die Situation heute in Norwegen? Als die Möglichkeit eröffnet worden war, Aufsichtsrätin zu werden, fanden sich mehr und mehr Frauen für solche Funktionen. Aufsichtsrätin ist eine begehrte Funktion geworden. Inzwischen erfüllen alle betroffenen Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben. Der Unternehmerverband bietet Qualifizierungen für Aufsichtsräte an, die rege nachgefragt werden. Die Tätigkeit der Aufsichtsräte hat sich qualitativ verbessert, und sie haben an Ansehen in der Öffentlichkeit sowie Respekt beim Management gewonnen.